Es ist Herbst, meine Frau und ich waren vor einigen Tagen in unserer neuen Heimat ein wenig im Wald spazieren, und haben dabei das eine oder andere Foto geschossen. Denn wenn die Natur dabei ist, sich von Sommer zum Herbst zu verwandeln, dann ist das immer auch ein besonderes Schauspiel – für das man sich im Alltag oft zu wenig Zeit nimmt. In der Nachbearbeitung bin ich dann an einer Stelle einen ganz anderen Weg gegangen, als bislang. Inspiriert dazu hat mich eine Fotografin aus den Niederlanden.
In diesem Beitrag möchte ich nicht auf die komplette Nachbearbeitung des Bildes eingehen, sondern eigentlich nur auf einen Regler in Lightroom Classic. Ich denke, in anderen Bildbearbeitungsprogrammen gibt es dazu ein Pendant, das vielleicht sogar genauso heißt. Gemeint ist hier der Strukturregler:
Wie man sieht, ist er hier ganz nach rechts geschoben, etwas, was ich bislang nie gemacht habe. Denn bislang sollten die Bilder doch immer eher knackig werden und so fand der Regler seinen Weg immer nur in die positive Wertezone. Aber wie kommt es zu diesem Sinneswandel? Ausschlaggebend war dafür eine Fotoausstellung im Stadtmuseum Schleswig. Hier hatte die niederländische Fotografin Saskia Boelsums ausgestellt, die einen ganz eigenen Bildstil zeigte. Knackige Bildbereiche wechselten sich mit solchen ab, die eher schemenhaft erschienen, oder mit einer Art Schleier versehen waren. Mir hat das gefallen, und mir stellte sich die Frage, wie hat sie das gemacht.
Jetzt bin ich nicht der große Fotoshopper und habe geschaut, ob ich ein ähnliches Ergebnis in Lightroom Classic erreichen kann. Nicht identisch, aber doch ähnlich funktioniert das mit dem Strukturregler in Kombination mit dem Klarheitenregler. Welche Auswirkungen die Einstellung mit dem Strukturregler auf das Bildergebnis hat, möchte ich Euch hier einmal zeigen. Zunächst das Ausgangsbild, das mit meiner Sony a6500 und Sigma 30mm f/1.4 entstanden ist:
Wie üblich bei einem RAW: eher „mausgrau“. Also fast :-). Nun die Version, die an sich fertig entwickelt ist, der Klarheitenregler bereits auf dem finalen Wert steht, der Strukturregler jedoch noch mittig auf 0:
Schon viel lebendiger und auch schon recht knackig. Könnte man auch so lassen. Jetzt drehen wir den Strukturregler übertrieben auf +100:
Selbst für mich, der es gerne kontrastreich und richtig schön knackig mag, ist das zu viel des Guten. Aber es geht ja nur um eine Demonstration dessen, was hier passiert. Denn jetzt schieben wir den Strukturregler an das andere Ende, nämlich auf -100:
Schon ergibt es etwas völlig Neues. Obwohl es Bildbereiche hat, die einerseits immer noch scharf und knackig wirken, hat es Bereich, die eher verschleiert wirken, vielleicht sogar etwas Märchenhaftes bekommen. Gerade in den Details im Hintergrund kann man den Effekt im Blattwerk sehr schön sehen.
Weil man das in den Einzelbildern in der Webauflösung nicht ganz so gut sieht, hier die beiden extremen einmal im direkten Vergleich:
Diese Methode funktioniert natürlich nicht mit jedem Bild, das Motiv muss das schon hergeben. Aber bei manchem Foto kann man so arbeiten. Die Saksia Boelsums legt da, wie erwähnt, noch eine ganz andere Qualität vor und ich denke, dass sie da einiges an Zeit in die Nachbearbeitung in Photoshop oder ähnliches steckt. Aber für Photoshoplegasteniker wie mich ist dieses Ergebnis im ersten Wurf schon ganz schön. Selbst in Lightroom kann man sicher noch das eine oder andere gezielter herausholen, damit werde ich mich sicher auch noch weiter beschäftigen.
Was lernen wir daraus? Manchmal macht es Sinn, einfach mal das genaue Gegenteil von dem zu tun, was man normalerweise tut. Sich Inspiration von anderen Fotografinnen und Fotografen zu holen, sich auch einfach mal vom Bildschirm wegzubewegen und eine Ausstellung zu besuchen, tut auch richtig gut. Bilder gehören eben nicht nur auf den Bildschirm, sondern auch gedruckt an die Wand.