Vor vielen Jahren habe ich mal vereinzelt angefangen, einzelne Elemente aus einem Bild zu isolieren und somit vom Gesamtbild loszulösen. Damals war Photoshop mein Mittel der Wahl, um alle Bildinhalte, die ich entfernt haben wollte, zu maskieren und auf dem Weg verschwinden zu lassen. Seither ist viel Wasser durch den Nord-Ostsee-Kanal geflossen und der Zufall wollte es, das ganze einfach mal mit Lightroom classic und Capture One 23 Pro zu probieren. Um es vorwegzunehmen: es funktioniert.
Eines muss ich noch vorausschicken: Die beiden Beispiele, die ich in diesem Beitrag zeige, sind keine finalen Versionen. Sie sind ein Zwischenstand, mit dem ich probieren wollte, was geht mit welchem Programm und beide Bilder müssten noch finalisiert werden. Es geht mir hier aber um das Prinzip und die Erfahrungswerte, daher zeige ich unfertige Ergebnisse – die aber ganz besonders einen Knackpunkt zeigen, der mich schon etwas enttäuscht hat.
Starten wir mit Lightroom. Ziel war es, eine Hütte, die auf einem Steg steht, aus ihrem Umfeld zu lösen. Ausgangsbild war das folgende:
Ich wollte jetzt, unter Beibehaltung der Bildgröße, diese Hütte isolieren, vorn noch ein wenig Steg haben und das ganze dann in Schwarz-weiß umwandeln. Es galt also zunächst, die Freistellung vom Rest durchzuführen. Lightroom verfügt mittlerweile über richtig gute Maskierungsfunktionen und so konnte ich die Hütte als Motiv festlegen und bekam eine schon sehr anständige Maske. Die musste im Grunde in zwei Dingen angepasst werden: Die Feinheiten der Holzlatten an der Hütte bedurften der Nacharbeit, ebenso Teile es Daches. Und ich wollte einen schönen runden Bereich vom Steg vor der Hütte noch mit im Bild haben. Da ich mit den neuen Maskierungsmöglichkeiten noch nicht so firm bin, habe ich viel getüftelt, ausprobiert, verworfen. Hat also etwas länger gedauert, als es gemusst hätte, aber gut, es sollte für mich ja auch ein Lehrstück werden. Das kam dann dabei raus:
Soweit so gut. Jetzt stand das ganze noch in Capture One bevor. In meinem jugendlichen Leichtsinn habe ich nun gedacht, dass das eigentlich ein Kinderspiel sein sollte. Dann saß ich vor dem Bild und dachte: Sh*t. Mir wurde nämlich in dem Augenblick bewusst, was Lightroom mit den Maskierungstools inzwischen leistet und Capture One gnadenlos ins Hintertreffen geraten ist. Ich zeige einfach mal das Bild und werde dann erläutern, wo die Pros und Cons bei beiden Bearbeitungen gelegen haben.
Ja, ich habe mich für die Capture One-Version für ein anderes Bild entschieden, was aber lediglich eine etwas andere Perspektive aufweist. Zwischen den beiden Aufnahmen liegen nur wenige Sekunden. Das nur zur Erklärung.
Wie man aber auf den ersten Blick sieht, ist die Ausarbeitung des verschwindenden Steges im Nichts, in der Lightroom-Version drastisch gefälliger. Jedenfalls für meinen Geschmack. Sonst nehmen sich beide Bilder bis zu diesem Bearbeitungsschritt nichts. Hätte man in der zweiten Version den Steg nicht auch so auslaufen lassen können? Mit weiterer Handarbeit sicher, keine Frage. Der Unterschied an dieser Stelle ist aber: In Lightroom hat mich das einen Arbeitsgang gekostet, das war eine Sache von wenigen Augenblicken.
Woran liegt das? Lightroom kann seit Ende vorletzten Jahres (meine ich jedenfalls) Masken in Ebenen organisieren. Also das, was wir von Photoshop schon seit gefühlten Jahrhunderten kennen, hielt dann auch in Lightroom Einzug. Capture One kann das übrigens auch schon seit einigen Jahren. Weshalb ich mich da immer irgendwie wohler gefühlt habe. Der entscheidende Unterschied an der Stelle ist aber: Innerhalb einer Ebene kann ich bei Lightroom alle Maskierungswerkzeuge nutzen und miteinander verknüpfen. Das sind innerhalb der Ebene quasi Unterebenen. Und so konnte ich, nachdem ich das dann endlich begriffen hatte, sehr komfortabel die Motivauswahl (Hütte) mit dem radialen Verlauf (Steg) verbinden und habe die Feinheiten dann mit dem Pinsel gemacht.
Sorry, wenn sich das jetzt nach einem Werbeartikel für Lightroom anhört. Aber Adobe hat hier wirklich was Mächtiges in die Waagschale geworfen. Da muss Capture One nachziehen. Was ich dafür bei Capture One ganz klar besser finde, sind zwei Dinge: Es geht deutlich ressourcenschonender mit der Leistung meines zugegebenermaßen nicht mehr ganz jungen iMac um, was ein spürbar besseres Feedback zur Folge hat. Außerdem bestimmt der Stiftdruck die Breite des Pinsels, was ich persönlich schöner finde als in Lightroom. Dort kann man damit den Maskierungsfluss steuern.
Was will uns das jetzt sagen? „Echte“ Bildbearbeitungsprogramme müssen es sich gefallen lassen, dass RAW-Konverter wie Lightroom classic oder Capture One Pro mehr und mehr in ihrem angestammten Revier wildern. Sind Photoshop und Co jetzt überflüssig? Nein, ganz sicher nicht. Die RAW-Konverter haben klar ihre Grenzen. Aber diese werden mehr und mehr erweitert. Und was bedeutet das für mich? Dass ich gerne ein Captureroom classic hätte. Aber da kann ich wohl lange warten. Aber ich hoffe, ich konnte auch etwas inspirieren und motivieren, einmal mit Eurem RAW-Konverter zu experimentieren. Für obiges Ergebnis „einfach“ den nicht erwünschten Bereich maskieren und mit allen verfügbaren Bordmitteln überbelichten. Schon ist es weiß. Alternativ in die andere Richtung, um es schwarz zu bekommen.