Wieso kommt man auf die Idee, nach ausgerechnet 10 Monaten etwas zu einer Kamera zu schreiben? Zu einer Kamera, zu der es im Internet eh schon genügend Reviews in Form von Text und Video gibt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen beziehen sich die meisten Reviews auf das. was die Kamera technisch ausmacht. Das ist grundsätzlich auch ok, denn schließlich kauft man sich eine Kamera ja auch als Werkzeug und da sollte man im Vorfeld wissen, was sie kann oder eben nicht. Zum anderen ist es in diesen Tagen ein Jahr her, dass ich das erste Mal eine Fujifilm X100V in den Händen hielt. Ich finde, dass ist ein guter Grund, um ein paar Worte über diese Kamera zu verlieren.
Vor einem Jahr habe ich mir die Kamera für eine Woche ausgeliehen, erste Gedanken dazu habe ich dann dazu auch schon verloren und ich werde versuchen mich nicht unnötig zu wiederholen. Ich möchte mich hier und heute eigentlich darauf konzentrieren, wie meiner Erlebnisse mit dieser Kamera nun waren und ob ich meine Ziele erreicht habe. Ziele erreichen, das klingt so nüchtern. So als wenn man einen Businessplan erfüllen will. Aber darum geht es bei der Fuji nicht, dafür habe ich sie nicht angeschafft. Auch, wenn sie es in mancherlei Hinsicht sicherlich könnte.
Der Weg zur X100V war nicht der kürzeste.
Gut Ding will halt Weile haben
Mit der X100 habe ich mich vor vielen Jahren schon einmal beschäftigt, nämlich als ich mich 2012 auf die Suche nach einer kleinen Kamera machte, die ich in meiner Freizeit benutzen wollte. Wenn ich für mich fotografierte, wollte ich nicht immer die schwere Nikon mit mir herumtragen. Für den Job war sie super. Aber sie hatte eben auch ihr Gewicht. Nägel in die Wand einschlagen und so, Ihr versteht, was ich meine. Bei der Suche fiel ich auch über die X100, die 2011 auf den Markt kam. Sie kam damals nicht einmal in die engere Wahl. Knapp 1.500 Euro für eine Kamera ohne Zoom? Wieso? Was stimmte denn im Hause Fuji nicht? Ich verstand die Kamera damals nicht und sie schied andererseits auch aus, weil ich tatsächlich etwas mit Zoom haben wollte. Die Zeit war nicht reif.
Letztes Jahr begann ich den Photologen-Podcast zu hören, mit Falk Frassa und Thomas B. Jones. Dass mich das eines Tages teuer kommen würde wusste ich noch nicht. Thomas war damals schon Fuji-Fotograf und unter anderem von zwei Dingen überzeugt: vom Bedienkonzept und der Qualität der JPGs die aus der Kamera kamen. Seit Kurzem ist er auch offizieller Fujifilm X-Photographer. Das aber nur am Rande. In den Folgen kam die Sprache dann auch immer wieder mal auf die X100V und auf das, was die Kamera mit einem macht. Denn erwähnte ich schon: Eine der Besonderheiten dieser Kamera ist die eingebaute Festbrennweite: 23 mm APS-C, also auf Vollformat gerechnet rund 35 mm Bildwinkel. Außerdem ist sie hübsch. Meine Meinung.
Da war sie wieder, die X100, die ich Jahre zuvor binnen Minuten aus meiner „Sichtweite“ verbannt hatte. Ich bin älter reifer geworden – und habe angefangen, die Kamera zu verstehen. Auch die Herausforderung, die mit ihr einherging: Festbrennweite. Nicht wechselbar. Zwischen der Kamera und mir standen aber 1.400 Euro, die man nicht mal so eben ausgibt. Für ein Experiment, das vielleicht schiefgeht. Ich bin halt nicht so der Mensch, der die Sachen dann wieder bei einer großen Internetplattform wieder verkauft. Also Risikominimierung und die Kamera mal eine Woche leihen. Dazu steht dann auch mehr im oben verlinkten Artikel.
Sie ist da!
Es folgte eine Zeit des Nachdenkens und zudem kam mein lieber Freund Jörg Langer mit der Idee für die WeeklyBoys um die Ecke. Die Entscheidung war gefallen, die X100V wurde bestellt und lag weniger Tage später auf meinem Schreibtisch. Damit begann eine Reise, die mich bis heute sehr glücklich macht. Denn sie spricht mich emotional an. Das geht schon beim Aussehen los. Die kleine Fuji ist die hübscheste Kamera, die ich je besessen habe. Und ich lehne mich mal weit aus dem Fenster: Sie ist eine der schönsten Kameras, die es aktuell auf dem Markt gibt. Ich mag auch meine Sonys und Nikons. Aber anders. Sie sind technisch tolle Werkzeuge und machen ihren Job sehr gut, keine Frage. Aber sie sind halt primär auf Funktion getrimmt. Im Hause Fujifilm ist man da einen Schritt weiter gegangen und hat dem Fotografen nicht nur ein technisch tolles Werkzeug auf den Tisch gestellt, sondern auch noch eines, das gut aussieht. Und wie bekannt habe ich mich für die silberne entschieden, für mich genau das richtige.
Jetzt ist es aber auch so, dass die Kamera nicht nur vom Design Freude bereitet, auch sie in die Hand zu nehmen und mit ihr zu arbeiten, zu bedienen. Mir macht die alte Art und Weise eine Kamera zu bedienen einfach unglaublich viel Spaß. Auch, weil ich mit so einer Bedienung groß geworden bin. Durch ihre Kompaktheit ist sie einmal mehr zur ständigen Begleiterin geworden. Sei es, weil mir etwas über den Weg läuft, was ich gerne im Bild festhalten möchte, um den Moment zu bewahren. Sei es, weil mir gerade danach ist zur Kamera zu greifen und zu fotografieren. Sicher gibt es da Kameras, die noch kompakter sind, ich denke da an die Sony RX100 zum Beispiel, die ja noch kleiner ist. Sie ist aber dabei noch so groß, dass man sie als Kamera fühlt.
Damals wollte ich Knöpfe haben, je mehr desto besser.
Fühlen ist da das Stichwort. Ein lieber Mensch aus meinem Umfeld hat alleine über die Rückseite der Kamera gesagt, dass sie richtig schön clean ist. Und das stimmt. Die Rückseite ist sehr aufgeräumt, die wichtigsten Knöpfe sind vorhanden, den Rest hat man weggelassen. Noch weniger Ablenkung von der Fotografie an sich. Und dennoch ist alles, was man sonst brauchen könnte schnell erreichbar. Entweder über das Quickmenü oder über Wischgesten auf dem Touchdisplay. Es geht auch radikaler, mir fällt da spontan die Leica Q2 ein. Noch weniger Bedienelemente auf der Rückseite. Das widerspricht genau meiner Herangehensweise als mir damals die D700 gekauft hatte. Da sollten möglichst viele Knöpfe vorhanden sein, um alle wichtigen Funktionen schnell im Zugriff zu haben. Das war selbst bei der a6500 noch so.
Bei der X100V ist das nicht so. Das mag an zwei Dingen liegen: Die Kamera habe ich nicht als Arbeitsgerät gekauft, sondern als Freizeitkamera, zum „runterkommen“. Wobei der Plan schon damals mit der NEX-6 nicht funktioniert hat und aus heutiger Sicht die Fuji auch die eine oder andere Aufgabe übernehmen könnte. Auf der anderen Seite habe ich eben feststellen dürfen, dass sich die wichtigsten Funktionen immer noch sehr schnell erreichen lassen. Da hat man dem Anwender ein schönes Bedienkonzept zur Seite gestellt. Das gilt selbst für die Menüführung, die ich als deutlich angenehmer empfinde als bei meiner Sony. Es fühlt sich mehr nach „Zuhause“ an.
Den Moment beim Fotografieren intensiv zu genießen ist toll.
Was bedeutet das für meine Fotografie? Ich bin im Kopf einmal mehr bei meinem Motiv als bei der Technik. Klar, ein wesentlicher Punkt ist natürlich, dass ich mir keine Gedanken über das Objektiv machen muss. Gibt ja nur das eine. Das übrigens sehr gut ist. Bedeutet, wenn der Ausschnitt nicht passt, muss ich mich bewegen. Der Zoom sind meine Beine. Bedeutet aber auch zu lernen, dass man nicht mehr die ganze Welt „wegfotografieren“ kann. Es gibt Situationen, da ist das Foto, das man im Kopf hat, nicht realisierbar. Zwei Möglichkeiten: eine andere Lösung finden oder es akzeptieren. Ist das schlimm? Puh, zugegen, in der ersten Zeit was das nicht immer leicht. Inzwischen kann ich das recht gut. Eben nicht das Foto machen, sondern den Moment genießen. Das ist auch toll das zu können, nicht immer nur auf der Jagd zu sein. Und irgendwie bin ich anders auf Entdeckungsreise als früher.
Etwas wofür Fujifilm bekannt ist, sind die Filmsimulationen in den Kameras. Das allein ist schon schick, weil man das Bild schon einen bestimmten Look mitgeben kann, so wie man selbst das Motiv sieht. Es geht aber weiter. Fujifilm gibt dem Fotografen weitere Stilmittel an die Hand, mit denen man das JPG weitreichend anpassen kann, so dass es fertig aus der Kamera kommt, ohne dass eine Nachbearbeitung erforderlich wäre. Je nachdem auch in welcher Stimmung man sich befindet und die Welt entsprechend wahr nimmt, wechselt man die Einstellungen. In der X100V kann ich mir so sieben Presets zusammen bauen zwischen denen ich schnell wechseln kann. Finde ich toll. Nutze ich gern und viel. 90 Prozent der Bilder aus meinem WeeklyBoys-Projekt sind so aus der Kamera gekommen wie ich sie veröffentlicht habe. Einzig gerade gerückt habe ich sie bei Bedarf in der Nachbearbeitung, am Stil selbst aber nichts geändert. An den restlichen 10% habe ich dann doch noch mal gearbeitet, weil die Belichtung dann doch nicht so passte wie erst gedacht.
Was mich und den geneigten Leser zur Frage bringt: Wenn doch die Bilder schon so gut aus der Kamera kommen, JPG oder RAW? Beides! Es stimmt, die meisten Bilder kommen fertig aus der Kamera. Und eigentlich war auch mein Vorhaben mich im Laufe von Q1 von den RAWs zu trennen. Da ich aber nun viel in schwarz-weiß mache, laufe ich Gefahr, ein Bild später vielleicht doch mal in Farbe haben zu wollen. Das ist durchaus auch schon vorgekommen. Deshalb bleibe ich bei beiden Formaten. Und, steht da schon die nächste Fuji ins Haus? Die X-Pro 3 würde mich einerseits schon reizen. Mit der Anordnung des Displays ist es noch mal eine andere Herausforderung, eben nicht mal schnell aufs Display zu schauen. Zum Glück hat sie aktuell auch kein Verleiher zu einem brauchbaren Kurs im Programm. Zumal das Silber das Fuji für die Kamera im Programm hat eben ein anderes Silber ist wie bei meiner X100V. Das finde ich schon nicht so schön. Ein Luxusproblem. Stimmt, kann ich aber mit leben. Schont auch meinen Geldbeutel.
Ist die Fuji perfekt? Nicht ganz.
Ist denn die X100V jetzt perfekt durch und durch? Nein, keineswegs. Es wäre schön gewesen, wenn sie einen Stabilisator im Gehäuse hätte, so wie die Q2. Und die Darstellung des aktuellen Fokusfeldes ist manches Mal zu unaufdringlich, gerade wenn man Schwaz-weiß fotografiert. Da geht man auch schon mal auf die Suche, gerade wenn man mit dem Display arbeitet. Aber im Zweifelsfall einfach auf das Display dorthin tatschen wo man fokussieren will und gut ist. Vermisse ich etwas? Ja, schon. Manches Mal vermisse ich mein Samyang 12mm. Da muss dann tatsächlich mal die Sony ran. Das Samyang ist eben auch ein tolles Objektiv und macht viel Spaß, da habe ich seinerzeit auch schon mal etwas drüber geschrieben. Würde ich mir die Fuji wieder kaufen? Nach dem Text nicht eine ernsthafte Frage, oder? Ich habe mich in das Ding verliebt und sie wird mich auch 2022 bei meinem nächsten 52 Wochen-Projekt begleiten. Ich freue mich schon darauf. Würde ich sie weiterempfehlen? Nicht uneingeschränkt. Denn nicht für jeden ist eine fest verbaute Festbrennweite das Werkzeug der Wahl. Das muss man immer im Hinterkopf haben. Da dann vielleicht eher zu einer X-Pro 3 greifen, oder zur kleinen Schwester der X-E 4. Dort lassen sich die Optiken wechseln. Wer aber bereit ist sich auf eine X100V einzulassen, der wird viel Freude mit ihr haben.