Handyfotografie ist böse – oder nicht?

Handyfotografie ist böse – oder nicht?

Ich weiß, ich weiß, dieses Thema ist eines, dass immer gerne wieder Diskussionen lostritt und teilweise auf verhärtete Fronten trifft, weil die eine oder andere Seite sich an den Karren gefahren fühlt. Ich sags gleich vorweg, ich verstehe diese Diskussion einfach nicht und halte sie für Zeitverschwendung. Zeit, in der man Fotos machen kann.

„Handyfotografie ist keine Fotografie“ sagen die einen, „ist es doch“ sagen die anderen. Warum ist denn das so, irgendetwas stimmt da doch nicht? Wir schreiben aktuell das Jahr 2019, setzen uns in unsere Zeitmaschinen und bewegen uns mal so auf die Anfangsjahre dieses Jahrtausends. Da erschienen die ersten Handys mit Fotofunktion. Die Auflösung lag bei unglaublichen 640 x 480 Bildpunkten. Das sind ungefähr 0,3 Megapixel. Aus heutiger Sicht nicht viel mehr als Pixelmatsch, gerade so zu verwenden um auf dem Display der Kamera mal etwas zu zeigen. Drucken, etwas eine schöne 90 x 60 cm Leinwand? Joah, das wäre dann moderne Kunst oder so etwas geworden. Ernstzunehmende Foto waren damit kaum möglich.

Trotzdem erfreute sich diese Handyfotografie zunehmender Beliebtheit. Hatte man doch eine einfache Kamera immer zur Hand wenn man mal eine brauchte und musste nicht extra Gerätschaften mit zu schleppen. Viel anders ist es heute, fast 20 Jahre später, auch nicht. Ganz im Gegenteil. Die Kameras insbesondere in den Smartphones sind durchaus erwachsen geworden. Die Auflösungen liegen teilweise deutlich jenseits der 20 MP, da kann man dann auch schon mal Bilder in einer anständigen Größe ausdrucken. Und trotzdem: es gibt genug der Fotografie zugetane Menschen, die diese Art der Fotografie nicht ernst nehmen wollen. Weil das Bild mit keiner „echten“ Kamera geschossen wurde.

Ohne jetzt allzu sehr ins Detail gehen zu wollen: die Kameras die in den Smartphones heute verbaut werden sind sehr leistungsfähig, haben aber in meinen Augen nach wie vor ein Problem: die Sensorgröße. Diese limitiert besonders in zwei Bereichen: Rauschverhalten und Freistellung für Portraits z.B. Das beruht schlicht in der Physik und der zur Verfügung stehenden Technologie: je kleiner der Sensor und je mehr Pixel darauf verbaut werden desto rauschanfälliger ist der Sensor. Ähnlich verhält es sich mit der Freistellung, je kleiner der Sensor desto schwieriger wird es. Und die Sensoren in den Telefonen sind wirklich klein. Schließlich muss das Gehäuse möglichst handlich bleiben (ok, wenn ich mir manche Bratpfannensmartphones anschaue stelle ich das mit der Handlichkeit wieder in Frage) und Technik für Telefonie, Datenaustauschen und Positionsermittlung enthalten, um nur einiges zu nennen.

Reicht das aber um die Fotografie mit dem Handy auszugrenzen? Ich meine ganz klar: nein. Denn dann könnte man einen Krieg der Kameras entfachen, Fotos die nicht mit einer Vollformat DSLR entstanden sind wären dann vielleicht keine echten Fotos mehr etc. Das ist Unfug. Ein digitales Fotos ist ein digitales Foto, egal ob es mit der mehrere tausend Euro Vollformatkamera geschossen wurde, oder aber mit dem 100 Euro Smartphone. Ja, die Bilder werden sich technisch unterscheiden, das liegt in der Natur der Sache. Aber die Technik alleine entscheidet nicht, ob ein Foto gut ist oder nicht, ob es als Foto anerkannt wird oder nicht. Diese Diskussion könnte man sonst in epische Breiten treiben, alleine was Programmautomatiken und manuelles Fotografieren angeht. Solche Diskussionen sind vertane Zeit und die nutze ich lieber zum Fotografieren.

Apropos, wie halte ich es denn mit der Smartphonekamera? Relativ einfach: bewusst fotografieren tue ich mit meinem Smartphone nur äußerst selten. Nämlich dann, wenn ich einen Moment unbedingt einfangen möchte aber keine „echte“ Kamera greifbar habe. Die Smartphonekamera ist für mich in der Regel eher eine Art Notiz- oder Dokumentationsfunktion wenn ich schnell etwas festhalten möchte. Mein Smartphone ist für mich in erster Linie Kommunikations- und Planungstool. Das ist in meinem Kopf einfach so verankert und ich glaube das bekomme ich da auch nicht mehr raus. Wenn ich eine meiner Kameras in die Hand nehme, dann schaltet mein Kopf in den Fotomodus um, ich fotografiere dann bewusst. Die Kamera ist dann der Schalter und das ist mein Smartphone eben nicht. Deshalb trenne ich für mich und meine Arbeit (abgesehen von den technischen Einschränkungen) klar zwischen meinem Kommunikations- und Planungstool (Smartphone) und Bildaufnahmetool (Fotoapparat). Das ist auch einer der Gründe, warum bei der Wahl des Smartphones bei mir die Kamera sehr zweit- bis zehntrangig ist. Kamera – ist vorhanden. Ok, passt.

Auf Flickr gibt es die Gruppe „iPhoneography„, die die gesamte Bandbreite der Smartphonefotografie zeigt. Von einfachsten Bildern „das ist mein Essen“ bis hin zu eben jenen Fotos die eine Geschichte erzählen. Für andere Smartphones habe ich nicht gesucht, bin eben iPhone-Mensch.

In meinem eigenen Archiv gibt es auch ein paar Fotos die insbesondere für mich bestimmte Momente festhalten und in denen ich eben keine meiner Kameras griffbereit hatte. Trotzdem wollte ich diese Momente festhalten und dann gilt: die beste Kamera ist die die man gerade dabei hat. Entstanden sind die Bilder mit dem iPhone 4s und iPhone SE.

Fazit: ist die Handyfotografie nun böse oder nicht? Nein, sie ist eine Bereicherung insbesondere in Momenten in denen keine andere Kamera zur Hand ist. In der heutigen Zeit soll doch bitte jeder mit dem Werkzeug arbeiten das zu einem am besten passt. Hat auch etwas mit links und rechts des Weges schauen zu tun. Was gerade wir Fotografen immer tun sollten 🙂

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