DSLR oder DSLM?

DSLR oder DSLM?

In der Fotoszene herrscht seit einigen Jahren schon eine heftige Diskussion: DSLR oder DSLM? Für mich habe ich diese Entscheidung schon getroffen, wenngleich ich in der komfortablen Situation war, dass dies ein schleichender Prozess war. Aber zäumen wir das Pferd nicht von hinten auf und fangen vorne an.

Worüber reden wir eigentlich? Zum einen reden wir über die klassische Spiegelreflexkamera (SLR = Single Lens Reflex) wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, natürlich in ihrer digitalen Version als DSLR (Digital Singe Lens Reflex). Zum anderen reden wir von den spiegellosen Systemkameras (DSLM = Digital Single Lens Mirrorless). Bitte nicht von dem Begriff „Systemkamera“ verwirren lassen. Sowohl die DSLR als auch die DSLM Kameras sind beides Systemkameras. Systemkameras zeichnen sich dadurch aus, dass bestimmte Komponenten ausgetauscht werden können. Heute bezieht sich das im Wesentlichen auf die Objektive. Genau genommen gehören zu den DSLMs auch die digitalen Kompaktkameras dazu, bei denen sich die Optik nicht wechseln lässt. Für mich sind diese Kameras jedoch nicht interessant und wenn ich in diesem Artikel von DSLMs rede dann meine ich schon die Systemkameras, also die mit Wechseloptik wie z.B. Sony Alpha, Fuji-X, Leica usw.

Beide Kameratypen gibt es in den Preisklassen von ziemlich niedrig bis hoch in den deutlich vierstelligen Bereich, von der Konsumerkamera bis hin zum Profigerät für mehrere tausend Euros. Aber worin unterscheiden sich die beiden Systeme denn nun? Eigentlich nur durch eine Kleinigkeit, die allerdings weitreichende Folgen hat: der Sucher

Der Sucher macht’s

Bei einer DSLR wird ein optischer Sucher verbaut. Das Licht fällt durch das Objektiv ein, wird über einen Spiegel durch die Einstellscheibe auf ein Dachkantenprisma gelenkt und tritt über den Sucher aus. Wenn man nun auf den Auslöser drückt, wird der Spiegel hoch geklappt damit das Licht eben nicht umgeleitet wird, sondern durch den Verschluss auf den Sensor fallen kann. Klingt mechanisch aufwendig, ist es auch. Bei einer DSLM ist das anders. Das Licht fällt durch das Objektiv auf den Sensor und wird von dort entweder auf der rückwärtige Display oder auf einen elektronischen Sucher projiziert. Mechanisch ist das relativ unaufwendig. Ist doch eigentlich besser, oder etwa nicht?

Nun, das wäre zu pauschalisiert. Beides hat seine Vor- und Nachteile und je nachdem wie und wo man fotografiert ist man mit dem einen System besser beraten als mit dem anderen. Bei den elektronischen Suchern wird oft bemängelt sie seien langsam, die Auflösung zu niedrig und man könne so gar nicht damit arbeiten. Das sehe ich nicht so. Ich habe in meinem fotografischen Leben inzwischen drei Generationen von elektronischen Suchern erlebt, alle samt aus dem Hause Sony – was aber an sich nur ein Zufall war. Der erste EVF (Elektronic View Finder) befand sich an meiner Sony R1. Die R1 kam 2005 auf dem Markt, der Sucher war damals in der Tat nicht der schnellste. Sportfotografie war eine Herausforderung – allerdings hatte ich sie dafür auch nicht angeschafft, von daher konnte ich gut damit leben. Der Sucher war von der Auflösung her tatsächlich nicht so brilliant wie man das heute kennt, aber hey, wir hatten 2005.

Der nächste EVF befand sich an der NEX-6. Deutlich schneller und die Auflösung dramatisch besser. Man konnte von der Geschwindigkeit her damit sogar schon Sport fotografieren. Aktuell fotografiere ich mit einer Alpha 6500, deren Sucher die gleiche Auflösung hat wie der an der NEX-6, aber der an Geschwindigkeit nochmals spürbar zugelegt hat. Da verzögert nichts mehr. Von daher zählen diese Contraargumente für mich und meine Art und Weise der Fotografie nicht mehr. Zumal etwas entscheidendes dazu kommt: im EVF sehe ich das Bild schon so wie es auf der Speicherkarte landet. Ich kann sofort die Schärfentiefe beurteilen die zu der eingestellten Blende gehört. Bei meiner DSLR funktioniert das nur über die Abblendtaste – die nicht jede DSLR besitzt und gerade im Einsteigerbereich gerne weg gelassen wird. Zudem hat die Abblendtaste den Nachteil, dass sich durch das Schließen der Blende natürlich das Sucherbild verdunkelt.

Nikon D700, Sony Alpha 6500

Die Unterschiede zwischen einer DSLR und einer DSLM liegen für mich ganz woanders. Bedingt durch die notwendige Mechanik ist einer DSLR verglichen mit einer gleichwertigen DSLM größer und schwerer. Das liegt einfach in der Natur der Sache. Für die Spiegelmechanik und das Dachkantenprisma muss ich einfach einen bestimmten Raum einplanen und den Rest der Kamera da herum konstruieren, eine andere Chance gibt es nicht. Bei einer DSLM fällt das schlicht weg, das spart Gewicht und Größe. Damit ist eine DSLM kleiner, leichter und damit handlicher. Punkt für die DSLM.

Mehr Strom für die DSLM

Allerdings schlägt sich der Wegfall der gesamten Sucheroptik bei der DSLM ganz klar im Stromverbrauch nieder. Warum? Ganz einfach. Wenn ich durch den Sucher um mein Motiv auszusuchen müssen zwei Module mit Strom versorgt werden: der Sensor und der Sucher bzw. das Display. Bei der DSLR entfällt das natürlich, weil der optische Sucher keinen Strom benötigt. Was für beide Kameras gilt: für den Autofokus und die Berlichtungsmessung brauchen sie beide Strom, aber das kann man an dieser Stelle schlicht auch vernachlässigen. Strom ist also für eine DSLM ein Thema? Klares Jein. Wenn man sich auf eine DSLM einlässt, dann weiß man das im Vorfeld und ja, man braucht dann den einen oder anderen Akku mehr. Wie viel Akku man mehr braucht, ist dann aber tatsächlich von einem selbst abhängig. Es gibt einen Standard nachdem berechnet wird, wie viele Bilder eine Kamera mit einer Akkufüllung erstellt werden können. Für meine Alpha 6500 sind das um die 340 Bilder laut technischer Doku. Die Realität sieht aber oft anders aus. Wenn ich in der Experimentierphase bin dann kann es sein, dass der Akku schon vor Erreichen von Bild 300 leer ist. Dann probiere ich aber auch viel aus und benutze das Display zum umkonfigurieren der Kamera und intensiven Begutachtung der Bildergebnisse. Wenn ich aber „on the job“ bin dann arbeite ich konzentriert meinen Auftrag ab. Jüngst habe ich eine Hochzeit fotografiert bei der ausschliesslich die Alpha zum Einsatz kam und da lag die Bilderzahl pro Akku bei deutlich über 500. Ganz klar, verglichen mit einer DSLR ist das lächerlich. Die gleiche Hochzeit hätte ich mit meiner Nikon D700 sicherlich mit einem Akku fotografiert, keine Frage. Ich scheue mich aber nicht davor, dann eben einen Akku mehr zu brauchen und in der Tasche zu haben. Auch ein Akku ist schnell gewechselt und die Restlaufzeit habe ich im Blick. Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, freue mich natürlich wenn künftige Kameras etwas sparsamer mit ihren Energiequellen umgehen.

Sympathieträger DSLM

Wenn ich Menschen fotografiere merke ich einen deutlichen Unterschied ob ich mit der DSLR oder mit der DSLM arbeite. Gerade Menschen die es nicht gewohnt sind vor der Kamera zu stehen sind viel schneller offener und entspannter. Ich durfte in diese Jahr auch die Hochzeit eines befreundeten Fotografen festhalten und er hat es auch nach dem Betrachten der Ergebnisse schön auf den Punkt gebracht: Mittendrin statt nur dabei. Sicherlich ist an dieser Stelle auch eine konstruktive Eigenheit meiner Kamera eine große Hilfe: Wie bei den klassischen Messsucherkameras von Leica z.B. befindet sich der EVF auf der Rückseite oben links. Dadurch bleibt beim Fotografieren vom Fotografen immer noch sehr viel Gesicht sichtbar, die Verbindung zum Fotografierten wird dadurch nicht so unterbrochen als wenn ich mit meine DSLR vor’s Gesicht halte. Ich wirke so weniger „bedrohlich“. Und ehrlich gesagt: für mich als Fotografen macht es eben auch einen Unterschied ob ich den ganzen Tag die schwere DSLR durch die Gegend trage oder eben die doch leichtere DSLM.

Ja ich weiß, an dieser Stelle kommen dann die nicht unberechtigten Einwände, dass physikalisch bedingt die Objektive den Gewichts- und Größenvorteil wieder zunichte machen. Auch hier ein klares Jein. Ja, richtige Lichtmonster im Telebereich sind eben auch sonst Monster, keine Frage. Aber: der Punkt an dieser Stelle ist eben, wenn an dem Objektivmonster noch eine Monsterkamera dran hängt, dann hat man es wieder mit einem großen Monstersystem zu tun. So hat man ein Objektivmonster an dem eine niedliche Kamera hängt. Ein Gesamtsystem welches alle Mal leichter und kleiner ist als eine entsprechende DSLR-Kombi.

DSLM und alles ist gut?

Nein, ganz so einfach ist es (noch) nicht. Es gibt Situationen wo ich eine DSLR schon den Vorzug geben würde. Dann nämlich wenn ich mit Strom richtig haushalten muss, wenn mir zum Nachladen von Akkus nicht so viele Chancen zur Verfügung stehen und ich eben nicht 10 Akkus mit mir herumschleppen möchte oder kann. Auf mich konkret bezogen würde ich auch im Dauerregen meine D700 meiner Alpha 6500 vorziehen. Denn die Nikon ist da einfach noch eine Spur robuster und unempfindlicher. Ansonsten ist die Alpha seit diesem Jahr endgültig meine erste Wahl und die Nikon ist „nur“ noch Backup. Was mir zu dieser Entscheidung auch geholfen hat war ein Experiment in diesem Sommer. Ich hatte das Vergnügen die Debutaufführung und die Vorbereitungen einer befreundeten Tanzschule fotografisch begleiten zu dürfen. Die Lichtverhältnisse waren da eher „bescheiden“ wie man sich denken kann. Ich hatte hier aber die Gelegenheit die Sony einfach mal unter diesen Umständen richtig zu quälen und an die vermeintlichen Grenzen zu bringen. Das Ergebnis hat mich darin bestärkt auch unter solchen Verhältnissen der Alpha den Vorzug zu geben.

Ja, ich bin mit meinen kleinen DSLMs glücklich geworden. Sie leisten das was ich und auch meine Kunden erwarten. Mein Glück war halt, dass ich keinen „harten“ Systemwechsel vollziehen musste, sondern die spiegellose Welt ganz leise ihren Einzug bei mir gehalten hat. Denn ganz am Anfang stand eigentlich nur der Wunsch nach einer kleinen und leichten Kamera für den Privatgebrauch. Dieser Plan hat nicht funktioniert 🙂

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