Altglas

Altglas

Wenn ein Fotomensch von Altglas spricht, so meint er nicht die leeren Flaschen die ihren Weg in den Altglascontainer finden. Würde man das Fotoaltglas so entsorgen wäre das in vielerlei Fällen sehr schade – und obendrein natürlich verboten.

Nein, wir Fotomenschen verstehen unter Altglas Objektive aus Zeiten der analogen Fotografie. Oft handelt es sich dabei um Optiken, die inzwischen mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel haben, für die Begriffe wie Autofokus oder Bildstabilisator so fremd sind wie der heutigen Jugend die Diskette. Warum macht man sich dann noch Gedanken um solche alten Gerätschaften, die ihre beste Zeit wohl hinter sich hatten. Wir sind doch im Heute, in der digitalen Welt wo Kameras über zehn Bilder pro Sekunde machen, der Autofokus so schnell scharf stellt dass man es fast nicht mehr wahrnimmt, wo die Kameraauflösungen in Bereiche vorstoßen die irgendwie aberwitzig sind. Gehört dann ein altes Objektiv nicht auf den Schrott?

Klare Antwort: es kommt darauf an. Auch zu analogen Zeiten gab es Objektive wo die Bildqualität am Ende eher durchschnitt – oder schlechter waren. Keine Frage. Aber es gab auch Objektive, die wirklich gut waren – beziehungsweise die es auch nach heutigen Maßstäben noch sind. Objektive, die auch ihren ganz eigenen Look mitbringen, mit denen es auch heute noch Spaß macht zu arbeiten. Auch ohne Autofokus.

Gerade Kameras wie die Alpha 6000er, 7er und auch 9er Reihe aus dem Hause Sony sind dankbare Aspiranten um dort mittels Adapter alte Schätzchen dran zu hängen. Denn diese Kameras unterstützen den Fotografen mittels Fokuspeaking und Bildschirmlupe ganz hervorragend beim manuellen scharfstellen der Motive. Je nach Motiv macht das auch großen Spaß und bremst einen auch etwas ein. Mit modernen Objektiven ist man gerne mal versucht Motive per „Point and shoot“ einzufangen. Mit einer manuellen Linse nimmt man sich gezwungener Maßen mehr Zeit. Ich mag das und so sind auch die folgenden Bilder entstanden.

Hier habe ich meine Sony Alpha 6500 mittels eines Novoflex-Adapters mit meinem Nikkor 20mm f/3.5 UD bestückt. Das Objektiv hat mir mein Vater vermacht, der es Anfang der 1970er gekauft hatte. Das schöne an den Kameras von heute ist auch, dass man mittels Liveview direkt auch die Belichtung im Sucher bzw. auf dem Display beurteilen kann. Das macht das Handling dieser alten Schätze unglaublich einfach wie ich finde.

Einziger „Nachteil“ (Achtung, Jammern auf ganz hohem Niveau): Im Falle des Nikkors hat man da etwas sehr solides in den Händen. Das Teil ist komplett aus Metall gefertigt und das merkt man gerade an relativ kleinen Kameras wie der Alpha 6500. An meiner D700 fällt das nicht weiter auf. 😉 Aber ich mag das 20mm. Es ist nach wie vor scharf und die Blende stellt man in klaren Rasterungen am Blendenring ein. Das hat schon etwas. Also, Altglas gehört nicht per se in den Container 😉

4 kommentare

Hallo Christian,

ja das finde ich auch und komme mal wieder zurück auf das erst gerade erworbene Nikkor 50mm 1.2 . Ein echtes Bokeh-Monster und super lichtstark. Allerdings – und da gebe ich dir recht – muss man sich Zeit nehmen, da der Fokus manuell eingestellt werden muss. Und bei Offenblende kann man schon vieles verkehrt machen, denn der Bereich der Schärfentiefe ist schon sehr klein. Wenn dann die Schärfe-Ebene etwas schräg liegt, ist das bild quasi schon im Eimer…
Also eine erzwungene Entschleunigung mit einem hohen Anspruch an den Fotografen. Aber genau das ist ja das Herausfordernde daran.

Genau das ist der Punkt, sich einfach mal selbst ausbremsen. Beim elektronischen Sucher der Sony habe ich halt einiges an Hilfestellungen um sicherzustellen, dass ich den Fokus richtig setze. Wobei je nach Motiv es dann immer noch passieren kann, dass der Fokus plötzlich nicht mehr sitzt. Gerade bei Menschen muss man aufpassen, dass nicht nur ich bei Offenblende meine Position zur abzulichtenden Person verändere, auch wenn die betreffende Person sich nur wenige Zentimeter in in der Entfernung bewegt war es das. Offenblendig erfordert eben Disziplin und Konzentration. 🙂

„Altglas“ oder „Glasscherben“ als Bezeichnung für etwas welches ausschließlich aus Glas und Metall
von feinmechanisch geschulten Fachkräften von Hand zusammengesetzt wurde bring mich jedesmal
wieder zum Schmunzeln. Vergleichen wir es doch einmal mit den High-End „Wackeldackel“ Plastikbechern
die Heute statt in Japan in Taiwan oder China zusammengepresst werden und deren optische Fehler
selbstständig in der Kamera oder Software korrigiert werden ohne das wir es überhaupt wahrnehmen.

Spass beiseite das soll jetzt ja kein Glaubenskrieg werden aber was denkst Du welche der beiden Versionsreihen
wird denn noch in 40 Jahren fehlerfrei funktionieren ?
Das Nikkor Q 3,5/135 welches ich noch Gestern an meiner (inzwischen veralteten *schmunzel) Nikon D700
verwendet habe wurde 1959 mit der Nikon F vorgestellt und läuft immer noch samtweich wie am ersten Tag.

Ich liebe die Kompatibilität welche mir Nikon bietet und bin dankbar damit noch Optiken verwenden zu können
welche „Charakter“ haben und eine „Anmutung“ (Achtung der Ausdruck wurde aus dem leica-Forum geklaut
wo Amateure auch Heute noch ein 10-faches dafür bezahlen was man bei Nikon für unter 100 € bekommt).

„Altglas“ ist hier ja nicht abwertend gemeint, ganz im Gegenteil. Und einen Glaubenskrieg wird das sicher auch nicht. Denn jeder hat so seine Vorlieben was auch den Bildeindruck angeht. Das Nikkor ist in Sachen Bildleistung wirklich großartig und braucht sich nicht zu verstecken. Und ich mag das Ding einfach, tituliere es aber trotzdem liebevoll als „Altglas“ 🙂

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