Ein Ausflug: Fujifilm X100V

Ein Ausflug: Fujifilm X100V

Dies wird keine Kameravorstellung. Zum einen ist die Kamera nun schon ein paar Tage am Markt und es gibt andere Leute, die diese schon sehr spezielle Kamera mit erforderlicher Kompetenz u.a. auf YouTube vorgestellt haben. Diese Zeilen werden ein Bericht über ein Erlebnis sein über eine Woche, die mich die X100V begleitet hat und ich sie „beschnuppern“ konnte. Es war ein sehr interessanter Ausflug – von dem nicht ausgeschlossen ist, dass er zu einer Reise wird. Die eine Woche hat mir schon die eine oder andere Frage vor die Füße geworfen und an der einen oder anderen Stelle meine Meinung zu bestimmten Themen in Frage gestellt. Was ich gut finde, denn nur so kann man sich weiter entwickeln.

Auch wenn dies keine Kameravorstellung werden soll, für diejenigen die mit dem Namen der Kamera so gar nichts anfangen können ein paar Worte zur Fuji. Bei der X100V handelt es sich um die fünfte Generation (V) der X100. Sie ist eine Kompaktkamera im gehobenen Segment, mancher sagt auch „Edelkompakte“ die diesen Kameras. Nicht so meins, ich habe dann eine Kamera in Glitzer vor meinem inneren Auge. Hat sie aber meiner Meinung nach nicht nötig, sie ist auch so eine Schönheit finde ich. Sie darf aber als Retrokamera bezeichnet werden, denn vom Stil her ist sie den Kameras aus den 50ern und 60ern nachempfunden, insbesondere wenn man die silberne Ausführung wählt. Es gibt sie auch in schwarz, erinnert mich dann eher an die 70er und 80er. Was sie von den meisten modernen digitalen Kameras unterscheidet ist das Bedienkonzept. So verfügt sie über einen Blendenring am fest verbauten 23mm Objektiv, das mit einer Lichtstärke von f/2 daher kommt. Außerdem findet man auf der Gehäuseoberseite wie damals ein Wahlrad für die Verschlusszeit, ISO und auch für die Belichtungskorrektur. Also die klassischen Elemente eben. Das sieht dann aus wie folgt:

Diese Kamera ist so eins der Dinge aus der Kategorie „manches braucht seine Zeit“. Als die X100 2010 angekündigt wurde habe ich sie nicht verstanden. Eine Kamera um die 1.500 Euro mit einer fest verbauten Festbrennweite? Was bitte soll das sein? Diese Frage stellte ich mir damals und habe für mich einen Haken dran gemacht. Es mag an meinem jugendlichen Alter von 41 Jahren gelegen haben, dass ich das Potential nicht gesehen habe. Potential? Oder Herausforderung? Eine gute Frage, der ich heute, zehn Jahre später im verrückten Jahr 2020 dann doch auf den Grund gehen wollte. Also habe ich mir eine Leihkamera bei Gearflix bestellt.

Zwei Dinge wollte ich vor allem anderen herausfinden. Erstens: Was macht eine Kamera mit mir, bei der sich die Optik nicht tauschen lässt? Ist es dasselbe als wenn ich mit meiner a6500 los ziehe und nur ein Objektiv mit nehme? Sieht auf den ersten Blick aus als wäre es dasselbe. Zweitens hat mich interessiert, kann man aus dieser Kamera wirklich Bilder produzieren, die einfach fertig sind? Die eine RAW-Entwicklung hinfällig machen? Denn, was ich noch nicht erwähnt habe ist, dass die X100V wie alle Kameras aus der X-Reihe Filmsimulationen an Bord hat. Dabei handelt es sich um eine Reihe alter Fujifilme, die den analogen Charme der damaligen Bilder in die digitale Zeit bringen. Kann das funktionieren? Gerade ich, der immer sagt: fotografiert in RAW, hat man einfach mehr Reserven für die Nachbearbeitung. Stimmt im Grundsatz auch nach wie vor. Aber was ist, wenn man überhaupt keine Nachbearbeitung mehr bräuchte und die Bilder fertig aus der Kamera kommen?

Die Leihwoche ist nun rum und die Fuji befindet sich bereits wieder auf dem Heimweg. Was also habe ich in dieser Woche gelernt? Habe ich jetzt plötzlich die ultimativen Bilder hingezimmert mit denen ich unendlich reich werde und mich zur Ruhe setzen kann? Ähm, nope. Im Gegenteil. Die ersten Gehversuche in den ersten Tagen waren ernüchternd. Ja, die Kamera selbst hat sich gut angefühlt, ich habe sie so bedienen können wir damals die Kameras mit denen ich meine ersten fotografischen Gehversuche gemacht habe. Ich habe gemerkt, dass ich im ersten Anlauf sofort alle kreativen Möglichkeiten ausprobieren wollte die einem diese Kamera bietet. Auf Grund der vielen Stellschrauben die es gibt war das aber von vornherein zum scheitern verurteilt. Denn ich hatte etwas konkretes vor Augen und das habe ich nicht erreicht. Nicht weil die Kamera das nicht gekonnt hätte, sondern weil ich mich schlicht verzettelt habe. Wie gesagt, alles gleichzeitig wollen ohne die Kamera und ihre Eigenheiten zu kennen.

Inzwischen sieht das etwas anders aus, ich habe mich auf eine Sache konzentriert und siehe da, es wurde besser. Erinnern wir uns an die Aufgabenstellung die ich mir gestellt hatte: Bilder produzieren die bereits fertig aus der Kamera kommen. Das bedeutet aber auch, dass meine „Kommunikation“ mit der Kamera intensiver sein muss. Und das geht halt über das Einstellen von Zeit, Blende und ISO hinaus. Ich muss mich für einen Bildstil entscheiden, bevor ich auf den Auslöser drücke. Und damit entscheide ich dann im Vorfeld nicht nur welche Geschichte ich erzählen will, sondern es fällt auch die Entscheidung für die Art und Weise.

Eine Brennweite. Sonst nichts.

Was ist mit der Brennweite? An der X100V ist eine 23mm f/2-Optik verbaut. In dieser an der V übrigens eine überarbeitete Version, die qualitativ bei Offenblende verglichen mit den Vorgängermodellen deutlich zugelegt haben soll. Ich finde sie jedenfalls gut. Vom Bildwinkel entspricht das 35mm an Vollformat. Eine schöne Reportagebrennweite finde ich. Wenn man Bilder produzieren will gemäß „mitten drin statt nur dabei“ muss man dann auch schon mal dichter ran gehen als wenn man das mit einer längeren Brennweite tun würde. Das macht es dann auch für den Bildbetrachter noch einmal interessanter, man nimmt ihn mit in die Szene die man fotografiert. In jedem Fall verlangt diese eine Brennweite eben, dass man eben nicht zoomen oder mal schnell ein Tele oder Weitwinkel auf die Kamera schrauben kann. Passt der Bildausschnitt nicht, muss man die Beine bemühen. Manchmal ist der Punkt von dem man aus fotografieren müsste aber auch nicht erreichbar. Das gehört dazu, darauf muss man sich schlicht einstellen. Kann man aber und ich finde das gut. Das gehört zur Limitation die diese Kamera mit sich bringt.

Denn umgekehrt befreit es auch in gewisser Weise. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, welche Brennweite ich jetzt nutzen will. Gerade weil ich für mich inzwischen mehr und mehr mit Festbrennweiten arbeite und das Zoom immer seltener zum Einsatz kommt. Aber diese Überlegung findet jetzt einfach nicht mehr statt. Es geht nur noch um den Standort und ob das Motiv von dort aus funktioniert. An dieser Stelle greift für mich das Gesamtkonzept der Kamera, den fotografierenden Menschen dazu zu bringen sich mehr auf das Motiv zu konzentrieren, sich mehr damit zu beschäftigen und sich von der Technik und der damit einhergehenden Fragen ablenken zu lassen. Als ich einem Bekannten von mir die Kamera gezeigt habe und er die Rückseite sah meinte er nur: „Das ist ja geil clean!“ Ja, genau, das trifft es exakt. Nicht tausend Knöpfe auf der Rückseite die einen dazu verleiten sich ablenken zu lassen.

Starkes Bedienkonzept auch in den Menüs

Für jemanden der von einer großen Spiegelreflexkamera kommt die eben genau ganz viele Knöpfe auf der Kamera hat um alle wichtigen Funktionen schnell griffbereit zu haben mag das seltsam klingen. Und hier kommt der erste Punkt an dem die Kamera meine langjährige Meinung in Sachen Bedienbarkeit auch für den kommerziellen Einsatz in Frage gestellt hat: ich brauche viele Knöpfe um im Job die Kamera schnell umkonfigurieren und an veränderte Anforderungen anpassen zu können. Das war auch einer der Gründe mit, warum ich mich damals für die a6500 entschieden habe, weil die drei Custom-Buttons besitzt die man noch belegen kann. Die Fuji hat einen. Müsste mich an sich doch unglücklich machen, oder? Absolut nicht. Fujifilm hat es verstanden dieser Kamera ein überzeugendes Bedienkonzept mit auf den Weg zu geben. Zum einen gibt es da das Quickmenü, das entspricht bei Sony dem Fn-Menü. Bei Fuji kann ich bis zu sechzehn Funktionen dort hinterlegen von denen ich denke, dass ich sie des öfteren brauche. Dazu kann ich im eigentlichen Kameramenü mir noch ein eigenes Menü zusammenstellen mit Positionen, die ich auch öfters benötige, aber nicht unbedingt im direkten Zugriff. Bei Nikon hieß das früher MyMenu, Sony hat es in der a6500 gar nicht. Damit aber nicht genug, für den Touchscreen kann noch noch weitere vier Wischgesten mit Funktionen belegen. Müßig zu erwähnen, dass der Touchscreen auch innerhalb der Menüs als Touchscreen benutzbar ist. Ich finde dieses Bedienkonzept schon sehr gut und hat mir den Einstieg auch leicht gemacht. Entgegen meiner Gewohnheit habe ich diesmal die Bedienungsanleitung nicht gelesen. Das Wichtigste erschloss sich mir durch ausprobieren und durch das Menü surfen. Sollte ich mir die Kamera kaufen werde ich die Anleitung lesen um mir auch die Feinheiten zu erschließen.

Die JPGs von heute sind einfach besser als vor zehn Jahren.

Ein weiteres großes Thema und was eine weitere meiner festen Überzeugungen hinterfragt hat ist das Thema JPG. Auf RAW zu verzichten und nur in JPG zu fotografieren kam für mich bislang nicht in Frage. Filmsimulationen sind in den X-Kameras ein großes Thema, kommen sie doch mit einer Auswahl verschiedener Simulationen für Farbe und Schwarz-Weiss an Bord direkt zum Fotografen. Dabei werden verbreitete Fuji-Filme aus der analogen Zeit nachempfunden und das funktioniert ziemlich gut. Aber damit lässt es der Hersteller nicht bewenden. Auch auf diese Simulationen kann man als Anwender noch Einfluss nehmen und sie nach eigenem Gusto anpassen. Am Ende steht dann ein JPG das fertig ist. Und zwar wirklich fertig. Lange Zeit war es so, dass zum einen die JPGs aus den Kameras für den Hausgebrauch zwar tauglich waren, aber für den kommerziellen Einsatz nur bedingt. Den Einfluss den man auf diese JPGs nehmen konnte beschränkte sich auf Farbe, Helligkeit, Kontrast und Schärfe. Insbesondere bei Fujifilm geht man da heute deutlich weiter, wir reden hier wirklich von Bildlook den man den Bildern mitgeben kann. Das ist das, was wir bislang in den RAW-Konvertern produziert haben. Heute aber nicht mehr zwingend müssen. In der X100V kann man z.B. sieben unterschiedliche Looks speichern. Das reicht in der Regel für die gängigen Einsatzzwecke und der Wechsel von einem Look zum nächsten geht so schnell von der Hand. Das ist schon eine feine Sache.

Wobei eines auch ganz klar ist: Will ich im Anschluss keine Hand mehr im RAW-Konverter an die Bilder legen, dann muss ich bereits bei der Aufnahme genau arbeiten. Dadurch muss ich mich bei der Aufnahme schon etwas mehr auf das Zusammenspiel zwischen Motiv und Kamera konzentrieren als ich das bislang vielleicht gemacht habe. Was ich nicht schlimm finde, ganz im Gegenteil. Animiert es mich doch dazu gleich bei der Aufnahme bessere Bilder zu produzieren, was ich wiederum als tolle Herausforderung empfinde. In Summe ist es genau das was diese Kamera als Gesamtkonzept mit einem macht: Anregen zum Nachdenken, anregen sich noch mehr mit dem Motiv zu beschäftigen als man es bisher gemacht hat um dann das Bild mit einem kaum hörbaren Auslösegeräusch auf den Sensor zu bannen.

Wo Licht ist ist auch Schatten.

Nach so viel Lob, gibt es auch Tadel? Ja schon. Ich bin es ja inzwischen gewohnt, dass man im Hause Sony sparsam ist und man kein echtes Ladegerät mit bekommt sondern nur eines mit dem man den Akku in der Kamera laden kann. Fuji geht da noch einen Schritt weiter, es liegt nur ein USB-C-Ladekabel bei. Sicher, man kann den Akku in der Kamera mit jedem USB-Ladegerät laden das man in seinem Haushalt findet. Aber schade ist es schon. Der Fokusring meiner Leihkamera hat irgendwo über irgendein Objektivteil geschliffen. Das ist bei einer so teuren Kamera schon sehr schade, zumal das keine Seltenheit ist. Tut der Funktionalität keinen Abbruch, aber müsste nicht sein. Würde mich vom Kauf aber nicht abhalten. Nicht direkt Tadel, aber ich habe ich habe gemerkt, dass ich mich inzwischen daran gewöhnt habe einen Bildstabilisator zur Verfügung zu haben. Bis 1/20 geht das auch mit der Fuji auch so noch ganz gut, darunter muss ich mich dann schon zusammenreißen. Draufhalten, auslösen und der Stabi macht den Rest ist mit der Kamera nicht drin.

Kaufen oder nicht kaufen?

Das ist die abschließende Frage: Lege ich mir eine X100V zu oder nicht? Aktuell habe ich da noch keine Antwort zu. Ich muss das alles noch etwas sacken lassen. Der Bauch sagt ja, das Hirn winkt mit einem vierstelligen Betrag. Als Kompromiss eine Vorgängerin? Nein, denn erst die V hat ein Klappdisplay und das überarbeitete Objektiv. Auf beides würde ich nicht verzichten wollen. Die Frage muss ich an dieser Stelle also offen lassen. Es was aber eine total spannende Woche mit der Kamera und sie hat mir viel Spaß gemacht. Und ich gebe zu, das Zurückschicken ist mir schwer gefallen 😉

Nachtrag 29.12.20: Gekauft 🙂 Und ist das Mittel meiner Wahl für ein kleines privates Projekt.

4 kommentare

Hallo Christian,
ein langer Text mit vielen guten Gedanken.
Nach eine laaangen Reise über Pentax, Nikon und Panasonic bin ich vor ca. 3 Jahren bei Fuji gelandet. Seit ca. 1 Jahr fotografiere ich quasi nur noch mit der X100. Und – seit dem quasi nur noch in JPG. Es ist eine konstruktive Bereicherung meiner Kreativität durch Einschränkung. Und eine Arbeitserleichterung.
Die XT3 kommt nur noch ein Einsätzen zur Anwendung bei dem ich bewusst das Endergebnis „entwickeln“ möchte und wo die 35mm einfach nicht passen (Hauptsächlich Portraits und Dokumentationen). Mit dem „upgrade“ von der F zur V nutze ich die X100 sogar für Familienbilder (weil: AF ist jetzt ausreichend schnell).
Längere Touren durch die Stadt oder Wanderungen mit nur einer Kamera ist eine Wohltat.
Ja, ich könnte letztendlich fast die gleichen Bilder mit dem iPhone machen (fast…), aber nur fast. 😉

Ich kann dir noch das Buch von Thomas B Jones mit den JPEG Rezepten empfehlen. Sehr spannend.

Weiterhin Gut Licht!

vg, oli

Hallo Oli, vor knapp acht Jahren hat sich bei mir der Wechsel von Nikon auf Sony angedeutet. Damals habe ich eigentlich nur eine „Freizeitkamera“ gesucht, weil ich die Nikons nur noch beruflich verwenden wollte. „Dummerweise“ hat mich damals die NEX-6 von ihrer Leistung überzeugt und so wurden die Nikons arbeitslos 🙂 Wer weiß ob das jetzt wieder passiert. Also die X100V, so ich mir die denn gönne, soll dann auch „nur“ eine Freizeitkamera werden. Ich bin selbst gespannt, ich weiß es aktuell wirklich noch nicht.

Ein toller Artikel über eine faszinierende Kamera. Diese Retro Kameras helfen einem, sich auf das wesentlich zu konzentrieren. Ich hatte auch mal lange über eine der Vorgängerinnen nachgedacht, aber mich dann letztendlich für das M System entschieden. Ein Objektiv-Wechsel war mir dann doch wichtig, da ich gerne mit 35mm und 50mm unterwegs bin. Lg Kristian

Das stimmt, diese Art Kameras haben trotz dessen das sie mit moderner Technik vollgestopft sind doch etwas entschleunigendes, was beruhigendes finde ich. Mich reizt tatsächlich die Limitierung auf die eine Brennweite, die Limitierung auf das nicht wechseln können. Mal schauen was wird 🙂

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